Beschlussvorschlag:
Der Rat stellt fest, dass die (Kurz-)Bezeichnung „Die FRAKTION.“ einer Gruppe oder Fraktion unzulässig ist, da sie zu Missdeutungen und Verwechslungen Anlass geben kann.
Sachverhalt:
Nach § 57 Abs. 1 NKomVG können sich zwei oder mehr Ratsfrauen oder Ratsherren zu einer Fraktion oder Gruppe zusammenschließen. Einzelheiten über die Bildung der Fraktionen und Gruppen sowie über deren Rechte und Pflichten regelt die Geschäftsordnung (§ 57 Abs. 5 NKomVG).
Die Braunschweiger Geschäftsordnung trifft aufgrund der Ermächtigung aus § 57 Abs. 5 NKomVG seit vielen Jahren u. a. folgende Regelungen:
1. Fraktionen sind Zusammenschlüsse von mindestens zwei Ratsfrauen oder Ratsherren, die aufgrund desselben Wahlvorschlages in den Rat gewählt sind oder derselben Partei angehören (§ 4 Abs. 1 Satz 1 GO).
2. Gruppen sind Zusammenschlüsse von mindestens zwei Ratsfrauen oder Ratsherren, die aufgrund verschiedener Wahlvorschläge in den Rat gewählt sind, oder Zusammenschlüsse von Fraktionen, die eine dauernde Zusammenarbeit vereinbart haben (§ 4 Abs. 1 Satz 2 GO).
3. Die Bildung und Auflösung einer Fraktion oder Gruppe, ihre Bezeichnung, der Name der Vorsitzenden/des Vorsitzenden und der Mitglieder und Veränderungen innerhalb der Fraktion oder Gruppe sind dem Oberbürgermeister schriftlich mitzuteilen, der seinerseits den Rat unterrichtet (§ 4 Abs. 2 Satz 1 GO).
4. Über Fraktions- oder Gruppenbezeichnungen, die zu Missdeutungen oder Verwechslungen Anlass geben können, ist auf Antrag die Entscheidung des Rates herbeizuführen (§ 4 Abs. 2 Satz 3 GO).
Der Tagesordnungspunkt 4 „Bildung der Fraktionen und Gruppen im Rat der Stadt und Benennung der Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden“ wurde aufgrund von § 4 Abs. 2 Satz 1 GO in die Tagesordnung der konstituierenden Ratssitzung aufgenommen. Der vorliegende Antrag wird eingebracht auf Grundlage von § 4 Abs. 2 Satz 3 GO. Für die Antragsfrist kann nichts Anderes gelten als für Änderungsanträge gem. § 20 Abs. 1 GO: Der Antrag kann von jedem Ratsmitglied bis zum Schluss der Beratung über den TOP 4 „Bildung der Fraktionen und Gruppen im Rat der Stadt und Benennung der Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden“ gestellt werden.
Aus Sicht des Rates sind die Fraktionen und Gruppen seine Teile und ständige Gliederungen, die den technischen Ablauf der Meinungsbildung und Beschlussfassung im Rat in gewissem Grade steuern und damit zu erleichtern haben. Inhaltlich wirken Fraktionen und Gruppen an der Erfüllung der Aufgaben des Rates mit, indem sie unterschiedliche politische Auffassungen zu handlungs- und verständigungsfähigen Einheiten bündeln (Blum in Blum/Meyer: NKomVG § 57 Rn. 16 m.w.N.).
Zur Handlungsfähigkeit des Rates und seiner Ausschüsse sowie zu einem reibungslosen Beratungs- und Sitzungsablauf gehört es, dass die Bezeichnungen der Fraktionen und Gruppen dem Oberbürgermeister und von diesem den anderen Fraktionen und Gruppen mitgeteilt werden (§ 4 Abs. 2 Satz 1 GO) und dass die gewählten Fraktions- und Gruppenbezeichnungen keinen Anlass zu Missdeutungen oder Verwechslungen geben können (§ 4 Abs. 2 Satz 3 GO).
Die selbstgewählte Bezeichnung „Gruppe Die FRAKTION. – DIE LINKE., Volt und Die PARTEI“ bietet unbestreitbar keinen Anlass zu Missdeutungen oder Verwechslungen. Inwiefern sie durch ihre Länge und Unhandlichkeit die Handlungsfähigkeit des Rates und seiner Ausschüsse beeinträchtigt, sei dahingestellt.
Was im Sinne der Geschäftsordnung offensichtlich Anlass zu Missdeutungen oder Verwechslungen geben kann, ist eine verkürzte Bezeichnung „Die Fraktion“, die durch den langen Namen nicht nur regelrecht provoziert wird, sondern von der Gruppe Die FRAKTION. – DIE LINKE., Volt und Die PARTEI aktiv eingefordert und gelebt wird, wie etwa die Türschilder der Gruppengeschäftsstelle zeigen (s. Foto als Anlage).
Auch kann es nicht sein, dass die Gruppe Die FRAKTION. – DIE LINKE., Volt und Die PARTEI, wenn das denn die gemeldete Kurzbezeichnung sein soll, eine E-Mail-Adresse fraktion@nullbraunschweig.de oder die.fraktion@nullbraunschweig.de zugewiesen bekommt. Unter Anwendung der mittlerweile jahrzehntelang eingeübten Regeln der Bildung von E-Mail-Adressen bei der Stadt Braunschweig müsste es hier konsequenterweise folgendermaßen zugewiesen werden:
SPD-Fraktion
à spd.fraktion@nullbraunschweig.de
BIBS-Fraktion
à bibs.fraktion@nullbraunschweig.de
FDP-Fraktion
à fdp.fraktion@nullbraunschweig.de
Gruppe Die FRAKTION. – DIE LINKE., Volt und Die PARTEI
à gruppe.die.fraktion.die.linke.volt.und.die.partei@nullbraunschweig.de
Die Gruppe Die FRAKTION. – DIE LINKE., Volt und Die PARTEI hat es bisher bewusst vermieden, eine andere Kurzbezeichnung als Die Fraktion zu akzeptieren oder vorzuschlagen. Auf Nachfrage verweist sie darauf, dass in anderen Kommunen die Kurzbezeichnung „Die Fraktion“ anstandslos von allen Beteiligten akzeptiert würde.
Dieses ist jedoch 1. nicht richtig, wie etwa das Beispiel aus Stuttgart (s. Fußnote) zeigt, 2. ein unzulässiger Vergleich, weil andere Bundesländer andere Kommunalverfassungen haben (die Hessische Gemeindeordnung kennt nur Fraktionen und keine Gruppen) und andere niedersächsische Kommunen eine andere Geschäftsordnung und ist 3. irrelevant, weil im Rat der Stadt Braunschweig die Regelungen zählen, die sich der Rat der Stadt Braunschweig mit großer Mehrheit (oder einstimmig) gegeben hat.
Die Kurzfassung „Die Fraktion“ oder „Die FRAKTION“ oder „Die Fraktion.“ oder „Die FRAKTION.“ ist irreführend und bietet Anlass zu Missdeutungen oder Verwechslungen, weil es im Rat der Stadt sechs weitere Fraktionen gibt und eine Zuordnung nicht hinreichend sicher möglich ist.
Auch ist die Gruppe Die FRAKTION. – DIE LINKE., Volt und Die PARTEI gar keine Fraktion im Sinne der Geschäftsordnung, sondern eine Gruppe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 GO). Der Vorsitzende der FRAKTION. ist ein Gruppenvorsitzender. Groß- und Kleinschreibung sowie ein Punkt nach FRAKTION werden in der gesprochenen Sprache nicht wiedergegeben oder wahrgenommen, und der Sinngehalt mancher Sätze ist kaum noch zu erfassen: „der vorsitzende der fraktion ist ein gruppenvorsitzender.“
Der aktuelle Bezeichnungsvorschlag der Gruppe Die FRAKTION. – DIE LINKE., Volt und Die PARTEI, die kurz „die Fraktion“ genannt werden möchte, würde sowohl die Verwaltung bei der Bereitstellung von Anträgen und der Protokollierung von Sitzungen als auch die Vorsitzenden des Rates und seiner Ausschüsse bei der Sitzungsleitung vor erhebliche Schwierigkeiten stellen. Gesprochene Sätze wären entweder schwer verständlich oder recht langatmig: „wir kommen zum nächsten tagesordnungspunkt: ein antrag der fraktion bündnis 90 die grünen. dazu liegt auch ein änderungsantrag der fraktion vor. möchte die fraktion den antrag einbringen?“ – Hat hier also die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag und dazu auch einen Änderungsantrag gestellt (was vorkommt)? Oder kommt der Änderungsantrag von der Gruppe Die FRAKTION. – DIE LINKE., Volt und Die PARTEI? Dann müsste die Sitzungsleitung in Zukunft klarstellend formulieren: „wir kommen zum nächsten tagesordnungspunkt: ein antrag der fraktion bündnis 90 die grünen. dazu liegt auch ein änderungsantrag der gruppe die fraktion die linke volt und die partei vor.“
Die „Lösungen“ aus anderen Kommunen mögen auch nicht überzeugen. In Frankfurt am Main schreibt man in Protokollen „die FRAKTION-Fraktion“ und spricht „die fraktion fraktion“; in Hessen gibt es, wie bereits erwähnt, gem. HGO keine Gruppen.
Trotz des einhelligen und eindeutigen Votums der antragstellenden Fraktionen gibt es für die die Gruppe Die FRAKTION. – DIE LINKE., Volt und Die PARTEI zahlreiche Handlungsoptionen, eine Bezeichnung zu wählen, die sowohl der Geschäftsordnung entspricht als auch gut handhabbar ist. Es ist nicht Aufgabe der antragstellenden Fraktionen, hier wohlmeinende Vorschläge zu unterbreiten. Aber der Hinweis sei erlaubt, dass der Rat in der vergangenen Wahlperiode die knackige Bezeichnung „Grupppe Die Fraktion P²“ nicht in Frage gestellt, sondern durchgehend akzeptiert hat.
Fußnote:
Artikel „Stuttgarter Gemeinderat – Linksriege bekommt sperrigen Namen“, Stuttgarter Nachrichten vom 15.07.2019, 18:44 Uhr, online abrufbar unter:
https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.stuttgarter-gemeinderat-linksriege-bekommt-sperrigen-namen.0be042e1-c7f4-450d-8ee3-39140b93c4d2.html
Anlage:
– Türschild der Gruppengeschäftsstelle