Beschlussvorschlag:
1. Die Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand durch § 2b UStG wird bei der Stadt Braunschweig – unabhängig von einer möglichen Verlängerungsoption – ab dem 01.01.2023 umgesetzt.
2. Die Verwaltung wird ermächtigt, gegenüber dem Finanzamt Braunschweig-Wilhelmstraße die Ausübung der Option mit Wirkung zum 01.01.2023 zu widerrufen und die Regelungen des § 2b UStG anzuwenden.
3. Die Verwaltung wird in diesem Zusammenhang beauftragt, zur Ratssitzung am 20. Dezember 2022 die Vorlagen
# 22-19772 „Neufassung des Entgelttarifes der Stadt Braunschweig für die Benutzung der städtischen Sporteinrichtungen“ und
# 22-19651 „Einundzwanzigste Satzung zur Änderung der Satzung über die Gebühren für die Friedhöfe in der Stadt Braunschweig (Friedhofsgebührensatzung)“
dahingehend zu überarbeiten, dass für einen Übergangszeitraum 2023/2024 die bisherigen Nettoentgelte im Ergebnis als Bruttoentgelte zu zahlen sind.
4. Sollte es im Übergangszeitraum 2023/2024 zu einer Änderung des Umsatzsteuersatzes kommen, sollen die nach Nr. 3 festgelegten neuen Nettoentgelte unverändert bleiben.
Sachverhalt:
Zu 1 und 2:
Mit dem Steueränderungsgesetz 2015 führte der Bundesgesetzgeber auf Grundlage der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie eine Neuregelung der Umsatzbesteuerung für juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) durch: § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) wurde aufgehoben und stattdessen § 2b UStG neu in das Gesetz eingeführt. Zugleich sah der Gesetzgeber in § 27 Abs. 22 UStG eine fünfjährige Übergangsregelung vor, wonach jPdöR ein Wahlrecht erhielten, § 2 Abs. 3 UStG weiterhin bis zum 31. Dezember 2020 anzuwenden.
Am 6. September 2016 hat der Verwaltungsausschuss beschlossen: „Die Verwaltung wird ermächtigt, gegenüber dem Finanzamt Braunschweig-Wilhelmstraße bis 31. Dezember 2016 zu erklären, dass die Stadt Braunschweig die bisherige Regelung in § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz auch für sämtliche nach dem 31. Dezember 2016 und vor dem 1. Januar 2021 ausgeführten Leistungen bis auf Weiteres anwendet.“
Durch den Systemwechsel bei der Umsatzbesteuerung von jPdöR kam eine Vielzahl von steuerlichen Auslegungs- und Abgrenzungsfragen auf, die auch in der fünfjährigen Übergangszeit nicht abschließend geklärt werden konnten (s. BR-Drs. 492/19). Der Bundesgesetzgeber verlängerte daher die Übergangsfrist um zwei weitere Jahre: „Hat eine juristische Person des öffentlichen Rechts gegenüber dem Finanzamt gemäß Absatz 22 Satz 3 erklärt, dass sie § 2 Absatz 3 in der am 31. Dezember 2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31. Dezember 2016 und vor dem 1. Januar 2021 ausgeführte Leistungen weiterhin anwendet und die Erklärung für vor dem 1. Januar 2021 endende Zeiträume nicht widerrufen, gilt die Erklärung auch für sämtliche Leistungen, die nach dem 31. Dezember 2020 und vor dem 1. Januar 2023 ausgeführt werden“ (§ 27 Abs. 22a Satz 1 UStG). Die von der Stadt Braunschweig 2016 abgegebene Erklärung gilt daher aktuell bis zum 31. Dezember 2022 fort.
Auf Empfehlung des Haushaltsausschusses des Bundestages soll diese Übergangsregelung nun noch einmal um zwei Jahre verlängert werden. Ob der Bundesrat am 16. Dezember dieser Verlängerung im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 zustimmen wird, ist zurzeit noch offen (vgl. Vorlage 22-20179, Sachverhalt Abs. 3).
Dem Vorschlag der Verwaltung, von § 27 Abs. 22a Satz 2 UStG Gebrauch zu machen und die o. g. Erklärung mit Wirkung vom Beginn des Jahres 2023 an zu widerrufen, sollte gefolgt werden. Sollten nämlich sämtliche Vorbereitungen für die Umstellung auf die neue Umsatzsteuerregelung rückabgewickelt werden, entstünde ein wirtschaftlicher Schaden für die Stadt in Höhe von 140.000 € (Gesamtkosten für die Rückabwicklung und die erneute Vorbereitung in zwei Jahren lt. Vorlage 22-20179 Seite 2).
Die Stadtverwaltung Braunschweig hat die Umstellung auf die Umsatzsteuerpflicht zum 1. Januar 2023 gewissenhaft und vorbildlich vorbereitet. Bei einer kreisfreien Stadt der Größe Braunschweigs sind zahlreiche Vorarbeiten für die Umstellung nötig: die Änderungen und das Umprogrammieren in SAP, Änderungen in Verträgen, Umstellungen an Parkscheinautomaten usw. Dieses wäre – wie in zahlreichen anderen großen Städten auch – in der Kürze der Zeit gar nicht mehr rückgängig zu machen.
Andererseits gibt es aber viele Kommunen und andere jPdöR, die offenbar trotz der langen Vorlaufzeit die Vorbereitungen auf die Umsatzsteuerpflicht ab 1. Januar 2023 nicht abschließen konnten. Es ist daher nachvollziehbar, dass auf Bundesebene eine erneute Verlängerung der Optionsregelung angestoßen wurde. Ähnlich wie in zahlreichen anderen großen Städten lassen sich die Vorarbeiten für die Umstellung auf die Umsatzsteuer in Braunschweig in der Kürze der Zeit aber gar nicht mehr rechtzeitig rückgängig machen.
Zu 3:
In den bisherigen Beratungen wurde davon ausgegangen, dass bei Einführung der Umsatzsteuer für die Benutzung der städtischen Sporteinrichtungen ca. 95.000 € p. a. an Mehrbelastungen auf die Sportvereine zukommen würden. Bereits im Sportausschuss wurde beraten, diese Mehrbelastung aufzufangen. Anstelle erhöhter Zuschüsse an die Sportvereine oder erhöhter Aufwendungen sollen mit diesem Antrag für den Übergangszeitraum von zwei Jahren die bisherigen Nettoentgelte als Bruttoentgelte deklariert werden, die anfallende Umsatzsteuer trägt im Ergebnis also vollständig die Stadt.
Bei der Friedhofsgebührenordnung ergeben sich allein aufgrund der Art der Beisetzung grundlegende Unterschiede bei der Umsatzbesteuerung: Sargbestattungen in das Erdreich stellen gem. den Bestattungsgesetzen der Länder den jPdöR vorbehaltene Tätigkeiten dar. Mangels Wettbewerb zu privaten Anbietern unterliegen diese auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbrachten Bestattungsleistungen nicht der Umsatzbesteuerung. Im Gegensatz dazu können Urnenbeisetzungen gem. dem Friedhofs- und Bestattungsrecht der Länder auch von privaten Unternehmern (auch außerhalb von Friedhöfen) angeboten werden. Damit wird grundsätzlich ein (potenzieller) Wettbewerb zwischen privaten Unternehmern und jPdöR begründet. Hierzu wird folgende herrschende Meinung vertreten: Wenn es sich bei dem betreffenden Urnengrab um eine in sich abgeschlossene Grundstücksfläche handelt, soll die Vergabe der Nutzungsrechte nach § 4 Nr. 12 UStG steuerbefreit sein. In allen anderen Fällen (z. B. Urnenhain, Urnengemeinschaftsgrab) soll die Beisetzung mit 19 % versteuert werden. Wenn jedoch auf die derzeitigen Gebühren für Urnenhaine und Urnengemeinschaftsgräber die Umsatzsteuer aufgeschlagen würde, lägen die Bruttopreise deutlich über denen auf z. B. kirchlichen Friedhöfen und wären nicht mehr konkurrenzfähig. Daher sollen auch hier die bisherigen Nettopreise als Bruttopreise deklariert werden.
Zu 4:
Die Regelungen unter Nr. 4 dienen der Klarstellung für den Fall, dass im zweijährigen Übergangszeitraum die Umsatzsteuer verändert würde (wie zuletzt vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020). Die Friedhofsgebührensatzung und der Entgelttarif müssten dann nicht allein wegen der Bestimmung aus Nr. 3, dass „die bisherigen Nettoentgelte im Ergebnis als Bruttoentgelte zu zahlen“ seien, erneut geändert werden.