Antrag der SPD-Fraktion: Braunschweigs Weg für einen besseren Radverkehr

Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Braunschweig greift wesentliche Anregungen aus dem Bürgerbegehren „Radentscheid“ (Vorlage 20-13007) unter Berücksichtigung der fachlichen Wertung der Verwaltung (Vorlage 20-13283) auf und beauftragt die Verwaltung,

  • die nachfolgend genannten Ziele 1 bis 7 zu verfolgen und dazu
  • die ebenfalls nachfolgend aufgeführten Maßnahmen zu Verbesserungen im Radverkehr im Rahmen des in Arbeit befindlichen Radverkehrskonzepts für Braunschweig in das Mobilitätskonzept der Stadt

angemessen einfließen zu lassen.

Die Einzelmaßnahmen sind von der Verwaltung nach einer jeweils konkreten Bedarfsermittlung und Kostenschätzung im Rahmen der Haushaltsplanung, beginnend mit dem Haushalt 2021, den Ratsgremien zur Entscheidung vorzulegen.

Ziel 1: Sicherheit des Radverkehrs erhöhen!

Maßnahme 1: Markierung von Fahrradfurten
Bis 2025 werden stadtweit alle Fahrradfurten an Einmündungen und Kreuzungen markiert. An problematischen oder unübersichtlichen Stellen werden Furten rot eingefärbt oder auf andere Art (z. B. mit Piktogrammen) deutlich sichtbar markiert. Für die identifizierten Bereiche erarbeitet die Verwaltung Kriterien zur Umsetzung.

Maßnahme 2: Jährlicher Bericht der Unfallkommission zu Fahrradunfällen
Die Arbeit der Unfallkommission wird gestärkt. Die Unfallkommission setzt sich zweimal pro Jahr explizit mit Fahrradunfällen auseinander und veröffentlicht vor den Haushaltberatungen einen jährlichen Bericht zu Analyse, Maßnahmen und Evaluation der Maßnahmen. Erkannte Mängel werden im Rahmen des Budgets unter Maßnahme 13 beseitigt.

Ziel 2: Attraktives Radverkehrsnetz schaffen

Maßnahme 3: Analyse des Radverkehrsnetzes
Das Radverkehrsnetz ist auf Lücken zu untersuchen, und im Rahmen des Mobilitätskonzeptes für Braunschweig ist eine Gesamtplanung vorzustellen. Die Analyse fließt in Maßnahme 8 ein.

Maßnahme 4: Qualitätsstandards von Radverkehrsanlagen
Die Radverkehrsanlagen werden netzweit systematisch auf Breite und Qualität (gem. Maßnahme 6) analysiert. Es ist zu prüfen, ob und in welcher Form eine systematische Nummerierung oder Kennzeichnung von Radwegen erforderlich ist. Die Analyse fließt in Maßnahme 8 ein.

Maßnahme 4.1: Geschützte Radfahrstreifen (Protected bike lanes)
Es ist zu prüfen, an welchen Hauptstraßen die Anlage von geschützten Radfahrstreifen sinnvoll sein kann. Entsprechende Umsetzungsvorschläge sind zu erarbeiten. Die Analyse fließt in Maßnahme 13 ein.

Maßnahme 5: Analyse zu bestehenden Hindernissen im Radverkehrsnetz
Bestehende Hindernisse im Radverkehrsnetz, auch solche für Lastenräder und Fahrradanhänger, werden ermittelt. Die Analyse fließt in Maßnahme 13 ein.

Ziel 3: Radwege sicherer und komfortabler machen

Maßnahme 6: Definition von einzuhaltenden Qualitätsstandards
Für Radwege werden abhängig von der Netzbedeutung Qualitätsstandards (Abmessungen gemäß den „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ [ERA], Oberflächengüte, Höhengleichheit an Zufahrten und Einmündungen, Beleuchtung, Winterdienst etc.) definiert. Bei Nichteinhaltung im Rahmen von Planungen wird dies in der zugehörigen Beschlussvorlage transparent dargelegt.

Maßnahme 7: Radverkehrsführungen in Knotenpunkten nach ERA
Radverkehrsführungen in Knotenpunkten werden auch in Zukunft in jedem Einzelfall unter Beachtung der örtlichen Verhältnisse und der einschlägigen Regelwerke, insbesondere der ERA, geplant. Dabei werden auch subjektive Sicherheitsbedürfnisse berücksichtigt. Auf Radfahrstreifen in Mittellage wird nach Möglichkeit grundsätzlich verzichtet.

Maßnahme 8: Jährliches Budget für Radverkehrsanlagen
Für den Bau von Radverkehrsanlagen werden Haushaltmittel in ausreichendem Umfang bereitgestellt. Dabei werden die Kosten von Radwegen und Radfahrstreifen voll berücksichtigt, die Kosten von kombinierten Geh-/Radwegen zu einem Drittel, von Fahrradstraßen zu zwei Dritteln, von Tempo-30-Zonen und von für Kfz freigegebenen Fahrradstraßen zu einem Drittel. Die Maßnahmen 8.1 und 8.2 sind prioritär umzusetzen.

Maßnahme 8.1: Velorouten in Braunschweig
Eine Veloroute im Bereich Uferstraße soll zeitnah errichtet werden und als Pilotprojekt für die Schaffung eines Veloroutennetzes in der Stadt dienen.

Maßnahme 8.2: Lückenschluss beim Fahrradstraßennetz entlang des Wallrings
Bei den Fahrradstraßen entlang des Wallrings ist ein Lückenschluss vorzunehmen, sodass ein geschlossener Ring für den Radverkehr um den Innenstadtbereich entsteht. Dabei sind besonders die Übergänge zwischen den einzelnen Wallstraßen fahrradfreundlich zu gestalten.

Ziel 4: Bedarfsgerechte, sichere Radabstellanlagen einrichten

Maßnahme 9: Mehr Fahrradabstellanlagen an Bushaltestellen und städtischen Einrichtungen
Die Stadt stattet fortlaufend Bushaltestellen und städtische Einrichtungen in ausreichender Anzahl mit Fahrradständern aus, bei Bedarf, insbesondere bei größeren Pendlerzahlen, auch mit deutlich mehr als der Mindestzahl von drei Fahrradständern gemäß Nahverkehrsplan.

Maßnahme 10: Mehr Fahrradabstellanlagen in Wohngebieten
Die Stadt installiert fortlaufend auch in Wohngebieten Fahrradständer. Gehwege und Grünflächen werden dafür nach Möglichkeit nicht eingeschränkt. Vorrangig werden freie befestigte Flächen oder Pkw-Parkplätze genutzt. Die Stadtbezirksräte werden in die Planungen eingebunden.

Maßnahme 11: Abstellanlagen für Lastenräder und Fahrradanhänger
In angemessenem Umfang werden auch Abstellanlagen für Lastenräder und Fahrradanhänger berücksichtigt. Die Stadtbezirksräte werden in die Planungen eingebunden.

Ziel 5: Radwege ganzjährig sauber und nutzbar halten

Maßnahme 12: Verbesserungen bei Radwegereinigung und Winterdienst
Straßenreinigung und Winterdienst erfolgen innerorts und außerorts auf Radverkehrsanlagen in hoher Qualität, aber differenziert nach Verkehrsbedeutung. Die neu zu schaffenden Velorouten sind wegen der hohen Verkehrsbedeutung mit hoher Priorität zu reinigen und zu räumen.

Maßnahme 13: Qualitätsoffensive für Radwege
Die ISEK-Maßnahme R.26 „Qualitätsoffensive im Straßenbestand“ wird zunächst explizit für den Radverkehr gestartet. Mängel in Bausubstanz, planerischer Qualität und Fahrkomfort an Radverkehrsanlagen werden laufend erfasst. Gefahrenstellen werden unverzüglich, weitere Mängel im Rahmen des Budgets beseitigt.

Maßnahme 14: Fahrradverkehr an Baustellen verbessern
An Baustellen wird der Radverkehr (inkl. Lastenräder und Fahrradanhänger) nach Möglichkeit durch den Baustellenbereich geführt, selbst dann, wenn dieser für den Kfz-Verkehr voll gesperrt wird. Wenn dies ausnahmsweise nicht möglich ist, werden dem Radverkehr sichere und zumutbare Umleitungen angeboten.

Ziel 6: Wartezeit an Ampeln verkürzen

Maßnahme 15: Anforderungsampeln für Radverkehr nach Möglichkeit abschaffen
Anforderungsampeln für den Radverkehr werden daraufhin überprüft, ob eine Freigabe ohne Anforderung, eine automatische Detektion oder ein vorgezogener Anforderungstaster möglich und sinnvoll sind. Die Regellösung ist eine Freigabe ohne Anforderung. Dies wird im Rahmen des Budgets umgesetzt.

Maßnahme 16: Optimierung der Ampelschaltungen verkehrsträgerübergreifend
Die ISEK-Maßnahme R.25 „Verkehrslenkung neu aufstellen“ wird, u. a. mit Fokus auf den Radverkehr, gestartet. Diese Optimierung der Ampelschaltungen erfolgt verkehrsträgerübergreifend, um zugleich auch den Fußverkehr zu fördern und den Stadtbahn- und Busverkehr zu beschleunigen. Kombinierte Ampeln für Fuß- und Radverkehr sollen durch eine getrennte Schaltung voneinander ersetzt werden. Dies ermöglicht bei unveränderten Grünzeiten für Fußgänger längere Grünzeiten für Radfahrer.

Ziel 7: Braunschweig für faires Miteinander im Straßenverkehr sensibilisieren

Maßnahme 17: Verstärktes Engagement für Verkehrssicherheit im Radverkehr
Die Stadt vergrößert ihr Engagement für Verkehrssicherheit im Radverkehr durch jährliche Berichte der Unfallkommission (siehe Maßnahme 2) und durch Verdoppelung des Zuschusses an die Verkehrswacht (zz. 8.000 €/a).

Maßnahme 18: Werbung für mehr Radverkehr
Die Stadt wirbt auch für die Teilnahme am Stadtradeln (vorh. Budget: 35.000 €/a). Darüber hinaus soll durch eine Mobilitäts-App die Verknüpfung der einzelnen Mobilitätsarten verbessert werden. Durch Online-Angebote kann zudem gezielt für den Radverkehr geworben werden.

Maßnahme 19: Bürgerbeteiligung
Bei Themen von stadtweiter Relevanz, wie z. B. der Ausweisung von Velorouten, soll von der Verwaltung eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vorgesehen werden.

Maßnahme 20: Ausschöpfung von Fördermitteln
Bei allen Projekten ist zu prüfen, ob Fördermittel des Landes, des Bundes oder von Europa zur Verfügung stehen und abgerufen werden können.

Maßnahme Z1: Automatische Radverkehrszählung
Um die Grundlage für zahlreiche Maßnahmen im Radverkehr zu erhalten, werden automatische Radverkehrszählungen durchgeführt. Dazu ist die Beschaffung einer ausreichenden Zahl von Geräten erforderlich, die für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren betrieben, gewartet und ausgewertet werden. Vorzusehen sind drei feste Messstellen mit Displayanzeige und sechs verdeckte Messstellen, davon drei oder mehr in mobiler Ausführung.

Maßnahme Z2: Konzepterstellung zur Umgestaltung von Innenstadtstraßen
Ein Konzept zur Reduktion der Flächen für den Kfz-Verkehr zugunsten von Rad- und Fußverkehr in den Bereichen Bohlweg/Wendenstraße, Steinweg, Georg-Eckert-Straße, Magniviertel, Hagenmarkt/Hagenbrücke/Lange Straße ist zu erstellen.

Maßnahme Z3: Beleuchtung von Radwegen
Mögliche Beleuchtungslücken an den Hauptrouten sind zu identifizieren, und ein Programm zur mittelfristigen Beseitigung ist aufzustellen. Die Beteiligung der Stadtbezirksräte ist sicherzustellen.

Maßnahme Z4: Lastenrad-Förderung
Das durch Ratsbeschluss für das Haushaltsjahr 2020 eingeplante Förderprogramm für Lastenräder im Umfang von 20.000 € soll bei gleichem Volumen um fünf Jahre verlängert werden.

Sachverhalt:
Am 20. Februar 2020 hat die Initiative Fahrradstadt Braunschweig das Bürgerbegehren „Radentscheid“ offiziell bei der Stadt Braunschweig angezeigt (Vorlage 20-13007) und einen Antrag auf Vorprüfung gemäß § 32 Abs. 3 Satz 5 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz gestellt. Die Stadtverwaltung hat das Begehren im Rahmen dieser rechtlichen Vorprüfung für überwiegend unzulässig erklärt (Vorlage 20-13283). Zugleich hat die Verwaltung das Bürgerbegehren jedoch auch fachlich bewertet und umfassend dargestellt, welche Einzelmaßnahmen grundsätzlich umsetzbar sind.

Die SPD-Ratsfraktion Braunschweig begrüßt das vielschichtige Engagement für eine Verbesserung des Radverkehrs in Braunschweig sehr und dankt den Initiatoren des Bürgerbegehrens für ihre Initiative. Der Radverkehr in unserer Stadt gewinnt spürbar an Bedeutung, und es ist der SPD-Fraktion ein Anliegen, den Anteil des Radverkehrs im Modal Split ebenso weiter zu erhöhen wie den von ÖPNV und Fußverkehr.

Auch wenn das Bürgerbegehren „Radentscheid“ nicht in Gänze zulässig ist, stimmt die antragstellende Fraktion mit den sieben Kernzielen des Bürgerbegehrens grundsätzlich überein. Es erscheint daher sinnvoll, die von der Verwaltung für umsetzbar erklärten Einzelmaßnahmen sukzessive in den politischen Diskurs einzubringen und nach Möglichkeit zu realisieren. Der vorliegende Antrag soll daher die Basis dafür schaffen, zügig erste Schritte anzugehen, und die Möglichkeit bieten, eine zielorientierte Diskussion im Vorfeld und in der Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses am 1. Juli 2020 zu führen. Inhaltliche Veränderungen der dargestellten Einzelmaßnahmen sind entsprechend möglich. Die abschließende Beratung der Angelegenheit soll in der Ratssitzung am 14. Juli 2020 stattfinden.

Gez. Christoph Bratmann
Fraktionsvorsitzender

Download: Antrag der SPD-Fraktion