So wurden in dieser besonderen Ratssitzung z. B. Beschlussvorlagen der Verwaltung, die allein aufgrund ihrer haushalterischen Auswirkungen im Normalfall langwierige kontroverse Debatten nach sich gezogen hätten, einstimmig und ohne Redebeiträge bestätigt. Das alles hat gezeigt, dass wir uns auch in der Braunschweiger Kommunalpolitik in einer absoluten Ausnahmesituation befinden. Dass der Rat der Stadt Braunschweig trotz Social distancing und Kontaktverboten in dieser Situation überhaupt zusammenkommen musste und nicht per Telefon- oder Videokonferenz abgestimmt wurde, liegt übrigens am gesetzlich festgelegten Öffentlichkeitsprinzip, welches Abstimmungen in öffentlicher Sitzung vorschreibt. Das ist aus meiner Sicht auch gut so, denn schließlich muss die parlamentarische Demokratie auch in solch einer Ausnahmesituation funktionieren. Die Hintergründe haben wir hier auf unserer Website erläutert.
Noch vor wenigen Wochen hätte ich mir nicht vorstellen können, dass wir einen Zustand erleben, in dem unsere Grundrechte derart eingeschränkt werden, und dieses auch noch politisch breit mitgetragen wird. Aktuell steht aber der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Millionen Menschen im Vordergrund, was diese Ausnahmesituation aus meiner Sicht rechtfertigt. Politisch ist mit der Implementierung dieser Verordnungen und Beschränkungen verantwortungsbewusst gehandelt worden. Wenn in einigen Wochen mit der Lockerung dieser Maßnahmen begonnen werden kann, dann ist das nicht die Rückkehr zum normalen Alltag, sondern der Übergang vom verordneten zum eigenverantwortlichen Handeln im Sinne des Gesundheitsschutzes. Das neue Corona-Virus wird unser Leben schließlich noch länger bestimmen, und wir müssen lernen, bestmöglich damit umzugehen.
Doch nun zu einigen wichtigen Punkten aus der Tagesordnung.
Änderung der Hauptsatzung der Stadt Braunschweig
Der Rat der Stadt Braunschweig hat in der Vergangenheit in großem Umfang von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Entscheidungszuständigkeiten vom Verwaltungsausschuss auf die Fachausschüsse zu übertragen. Eine richtige und sinnvolle Entscheidung, denn schließlich sitzen in den Fachausschüssen auch die kompetenten Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker, die die Themen bestmöglich diskutieren und auch dem Rat dann eine Beschlussempfehlung aussprechen können. Dieses Verfahren wurde nun im Sinne des Infektionsschutzes temporär bis zum 1. Oktober 2020 wieder rückgängig gemacht, um zusätzliche Gremiensitzungen mit persönlicher Anwesenheit nach Möglichkeit zu vermeiden. Vielmehr werden viele Kompetenzen der Ausschüsse nun auf den Verwaltungsausschuss übertragen, der seinerseits die Beschlüsse fassen kann.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Verwaltungsausschuss auch ohne persönliche Anwesenheit im Umlaufverfahren abstimmen kann, ist dies ein sinnvoller Vorschlag der Verwaltung, der auch einstimmig beschlossen wurde. Die Beschlusskompetenz des Rates ist dabei nicht betroffen.
Haushaltssatzung 2020 der Stadt Braunschweig
Im Zusammenhang mit den finanziellen Erfordernissen der Corona-Pandemie sind dem Rat zwei Beschlussvorlagen vorgelegt worden, die die haushalterischen Spielräume der Verwaltung deutlich erweitern. Beschlossen wurde in diesem Zusammenhang:
- Die Bereitstellung von außerplanmäßigen Mitteln in Höhe von 10 Mio. € zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen.
- Die Heraufsetzung der Wertgrenze für Geschäfte der laufenden Verwaltung zur Bewältigung der Corona-Pandemie auf 1,5 Mio. € im Einzelfall.
- Die Erweiterung des Kreditrahmens für Liquiditätskredite von 50 Mio. € auf 350 Mio. €.
In der Haushaltssitzung des Rates am 18. Februar dieses Jahrs haben wir noch vehement darüber gestritten, ob Kreditermächtigungen in Höhe von 50 Millionen angemessen und notwendig sind. Die Tatsache, dass nun mal eben das 7-fache davon einstimmig beschlossen wurde, zeigt, dass wohl alle verstanden haben, in welch einer Situation wir uns gerade befinden.
Insgesamt bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass unser Oberbürgermeister und die Verwaltung, hier besonders der Krisenstab unter der Leitung von Christine Arbogast, einen wirklich guten Job machen. Ob es um die Beschaffung dringend benötigter Schutzkleidung oder von Beatmungsgeräten, die Bündelung aller Kräfte im Bereich der Kliniken oder die Errichtung eines Behelfskrankenhauses geht: Braunschweig ist aus meiner Sicht bislang gut aufgestellt, was die Bewältigung der Corona-Krise angeht! Darüber hinaus scheint sich auch in unserer Stadtgesellschaft mehrheitlich ein solidarisches und verantwortungsbewusstes Miteinander durchzusetzen. Dieses zeigen u. a. die zahlreichen ehrenamtlichen Aktivitäten und Hilfsangebote. Unsere Stadt wird diese Krise überstehen und, wenn wir die richtigen Lehren ziehen, auch gestärkt daraus hervorgehen.
Es gab aber auch noch einige weitere Beschlüsse bei der Ratssitzung, auf die ich hier kurz eingehen möchte.
Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle
Bereits im November 2019 fand unter dem Titel „Antidiskriminierungsarbeit in der Stadt Braunschweig“ ein Workshop zu diesem Thema statt. Denn auch wenn die Corona-Krise natürlich derzeit nahezu unsere gesamte Aufmerksamkeit erfordert, darf nicht vergessen werden, dass wir auch vor der Pandemie in nicht ganz einfachen Zeiten lebten – die schrecklichen Taten u. a. von Hanau oder Halle sind schließlich noch kein Jahr her. Zwar muss die Situation in Braunschweig differenziert bewertet werden, aber auch hier gab und gibt es einzelne Übergriffe auf Menschen aufgrund ihrer politischen Einstellung. Interfraktionell haben wir uns daher geeinigt, auf Basis der Erkenntnisse aus dem Workshop eine Antidiskriminierungsstelle in Braunschweig aufbauen zu wollen. Ziel soll es sein, Opfern unbürokratisch und schnell zu helfen, auch die Präventionsarbeit soll natürlich ein Bestandteil der Stelle werden. Als SPD war es uns zudem wichtig, dass sich das Beratungsangebot nicht nur an Opfer von politisch-motivierten Taten richtet, sondern auch an jene, die beispielsweise durch ihre sexuelle Orientierung oder ihren Glauben diskriminiert werden. Wir haben den Antrag daher bewusst weiter gefasst, um ein möglichst breites Angebot zu schaffen. Eine externe Beratung des Projekts soll zudem sicherstellen, dass die Stelle möglichst bald aufgebaut werden kann.
Jugendzentrum B 58
Auch die Debatte um die Zukunft des B 58 hat bereits eine längere Vorgeschichte. Jeder von uns dürfte das Jugendkulturzentrum am Bültenweg kennen und vermutlich auch die eine oder andere persönliche Geschichte mit dem Standort verbinden. Klar ist, dass das Gebäude etwas in die Jahre gekommen ist und bereits seit längerem eine größere Sanierung benötigt. Deshalb hatte unsere Fraktion bereits zum Haushalt 2018 beantragt, 30.000 Euro Planungskosten einzustellen, und damit ein Gutachten ermöglicht, das verschiedene Optionen ermittelt hat, wie es mit dem B 58 weitergehen kann. Politisch ging es für uns dann im Kern um die Frage, ob ein Neubau oder eine Sanierung am bestehenden Standort noch möglich ist ober ob anderer Stelle neugebaut werden muss. Da sich beide Optionen finanziell aber nahezu die Waage halten und die Beibehaltung des bestehenden Standorts natürlich den Reiz hat, die Tradition vor Ort weiterzuführen, haben wir uns entsprechend für den Verbleib des B 58 am bisherigen Standort ausgesprochen, während u. a. die CDU für eine Standortverlegung votierte oder sich dies zumindest offen halten wollte. Unser Antrag fand aber zum Glück eine Mehrheit, so dass die Zukunft des B 58 am namensgebenden Standort gesichert ist.
Neubau Helene-Engelbrecht-Schule
Durchaus kontrovers ging es im Vorfeld um die Frage, wie es mit der Helene-Engelbrecht-Schule, besser bekannt als BBS 4, weitergehen soll. Unstrittig ist, dass diese neugebaut und an den Standort der Heinrich-Büssing-Schule in der Salzdahlumer Straße verlagert werden soll. Das hatte der Verwaltungsausschuss im Juni 2019 auch bereits beschlossen. Offen blieb, wie dieser natürlich kostspielige Neubau und die Instandhaltung der neuen Schule nun finanziert werden sollen: Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, dies in einem ÖPP-Modell auf insgesamt zwanzig Jahre an einen Dienstleister zu vergeben. Dies sorgte für Widerstand bei Grünen und Linken, die eine kürzere Laufzeit beantragten bzw. das Modell grundsätzlich in Frage stellten. Wir wissen um die Brisanz dieser Thematik, sehen aber auch, dass eine kürzere Laufzeit praktisch kaum umsetzbar wäre, da sich mögliche Auftragnehmer bei einer deutlich kürzeren Laufzeit nicht bewerben würden. Es wurde sich schließlich mehrheitlich dafür entschieden, die Ausschreibung eines partnerschaftlichen Modells zum Neubau der Schule in Auftrag zu geben. Eine Vergabe an einen externen Partner soll jedoch nur erfolgen, wenn die erzielten Ausschreibungsergebnisse der ermittelten Kosten einer Eigenerledigung der Stadt entsprechen oder – im Idealfall – natürlich noch günstiger sind.
Wie bereits geschildert endete die Ratssitzung nach weniger als einer halben Stunde. Die Verwaltung hat nun einige Instrumente an der Hand, um die Pandemie weiter konsequent zu bekämpfen. Ich bin mir sicher, dass sich unsere Stadt hier in guten Händen befindet und hoffe natürlich, dass wir diese Krise baldmöglichst überstanden haben. Bis dahin appelliere ich selbstverständlich ebenfalls, sich an die Weisungen der Behörden zu halten und verantwortungsvoll in dieser Ausnahmesituation zu handeln. Solidarität ist nicht nur ein Leitmotiv der Sozialdemokratie, sie sollte auch ein gesamtgesellschaftlicher Anspruch sein. Ich bin mir sicher, dass wir ihn gemeinsam erfüllen können.
Ich wünsche trotz der Einschränkungen natürlich erholsame Ostertage! Bleibt gesund – bleiben Sie gesund!
Herzliche Grüße
Ihr und Euer Christoph Bratmann