
Beim Mittagessen komme ich mit Ahmed* aus Afghanistan ins Gespräch. Er ist erst 3 Wochen im Remenhof. Er spricht noch kein Deutsch, aber etwas Englisch. Ahmed kommt aus Kundus, einem Gebiet, in dem sich die Tabilan und Regierungstruppen seit Mai dieses Jahres schwere Kämpfe liefern. Er ist noch sehr zurückhaltend und man merkt ihm an, dass er sich in die neue Umgebung erst hineinfinden muss.
Khaled* aus Kabul hingegen ist seit rund 3 Monaten in Deutschland. Er besucht derzeit eine Sprachlernklasse der Oskar-Kämmer-Schule. Er wirkt sehr verängstigt und als ich ihn auf seine Flucht anspreche, möchte er nicht darüber sprechen; seine beginnende Unruhe zeigt mir, dass er schlimme Dinge erlebt haben muss.
Altin* und Damian* sind Albaner und seit 8 Monaten in Deutschland. Sie sprechen schon recht gut Deutsch. Altin hat seine Familie in Tirana zurückgelassen. Er hat eine Behinderung am Bein, die auf eine unzureichende medizinische Behandlung schließen lässt. Sein Traum ist es, in Deutschland zu bleiben, die Schule zu beenden und einen Beruf zu lernen, um seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können.
Damian hat sogar schon ziemlich genaue Vorstellungen davon, was er beruflich machen möchte. Zurzeit absolviert er an der BBS eine Maßnahme als Tischler; diesen Beruf mag er aber nicht, er möchte lieber Koch werden. Er kocht gerne traditionelle albanische Gerichte. Seine Familie in Albanien ist zerrüttet, der Vater hat sich fast nie um ihn gekümmert. Beide sind mit der Fähre von Albanien nach Italien gefahren und von dort aus mit dem Zug nach Deutschland weitergereist. Ob sie in Deutschland bleiben können, ist unklar.
Die Sozialarbeiter schildern mir, dass viele der Jugendlichen länger als die sonst üblichen 4 Wochen in der Inobhutnahmegruppe bleiben. Einige Jugendliche sind bereits bis zu 5 Monaten in der Gruppe. In der Gruppe gibt es 10 Plätze, von denen 9 durch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge belegt sind. Auch die Plätze in der stationären Unterbringung sind ständig belegt.
Dieses hat weitreichende Auswirkungen auf die reguläre Jugendhilfe, denn die „klassischen“ Inobhutnahmefälle und daraus möglicherweise resultierende stationäre Unterbringungen können derzeit nur unzureichend versorgt werden. Zum Teil führen sogar bundesweite Suchen nicht mehr zum Erfolg.
Einen Großteil ihrer Zeit verbringen die Sozialarbeiter mit administrativen Tätigkeiten wie Organisation von Besuchen im Gesundheitsamt, beim Jugendamt oder bei der Ausländerbehörde. Aber auch die Organisation von Dolmetschern, die mit den Jugendlichen in ihrer Muttersprache sprechen können, von Nachhilfe oder psychologischer Behandlung gehören dazu. „Der Papierkram, den wir für jeden einzelnen Jugendlichen erledigen müssen, ist enorm“, ist ein Satz, den ich an diesem Tag immer wieder höre.
* Die Namen habe ich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgeändert; auf Fotos in der Einrichtung habe ich ebenfalls aus Gründen des besonderen Schutzbedürfnisses des Personenkreises verzichtet.